Die Kastration beim Rüden oder Hündin

Immer wieder werde ich natürlich gefragt....wann der richtige Zeitpunkt bei einem Ridgeback ist.
Die Rasse Rhodesian Ridgeback ist ein Spätsünder...Das haben wir ja schon mal gehört...
Er ist spätreif und wird manchmal erst mit 3 oder sogar erst mit 4 Jahren "erwachsen".

Deshalb erkläre ich meinen Welpen-Eltern immer...
Bei Hündinnen bitte frühstens nach der zweiten Läufigkeit ( wenn vorher keine Probleme aufgetreten sind ),
denn ich kann aus eigener Erfahrung sagen, das dann viele Hündinnen den "Schalter" umlegen und auf einmal "erwachsen" sind!
Bei Rüden bitte nicht vor dem 2 Lebensjahr.
Rüden sind zwar in der Zeit der Geschlechtsreife sehr anstrengend, aber deshalb muss man einen gesunden Rüden nicht kastrieren lassen.

Denken sie bitte daran...
Laut § 6 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) ist es sogar verboten,
eine Amputation am gesunden Hund durchzuführen.


Die Kastration des Rüden aus verhaltensbiologischer Sicht
Die Geschichte der Kastration des Rüden ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Noch immer hält sich bei vielen Tierärzten, Trainern und Hundehaltern hartnäckig der Glaube daran, dass die ­Kastration ein chirurgisches Wundermittel bei unterschiedlichsten Verhaltensproblemen darstellt. Doch eine Kastration kann niemals eine vernünftige Verhaltenstherapie ersetzen, und viele Probleme, die mit den Sexualhormonen – in diesem Fall mit dem Testosteron – in Verbindung gebracht werden, stammen aus völlig anderen Funktionskreisen und lassen sich durch eine Kastration überhaupt nicht beeinflussen, wie Tierärztin Sophie Strodtbeck und Verhaltensbiologe Dr. Udo Gansloßer betonen.
Im Folgenden versuchen die Autoren eine Entscheidungshilfe pro oder kontra Kastration zu geben.

Vorausgesetzt werden muss, dass der § 6 des deutschen Tierschutzgesetzes ­eindeutig das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verbietet. Ausnahmen gibt es, wenn eindeutige medizinische Indikationen vorliegen, über die an dieser Stelle auch nicht diskutiert werden soll. Im österreichischen Tierschutzgesetz sind  lt. § 7(2) Eingriffe zur Verhütung der Fortpflanzung ausdrücklich zulässig.
Eine unerwünschte Fortpflanzung kann auch durch eine Sterilisation, also durch eine Durchtrennung der Samenleiter, zuverlässig erreicht wer­-
den, dabei wird nicht in den Hormonhaushalt eingegriffen und es sind ­keine Nebenwirkungen zu erwarten.

Frühkastrationen
Kategorisch muss aber in jedem Fall die Praxis der Frühkastration abgelehnt werden. Von einer Frühkastration spricht man, wenn bereits vor Abklingen der Pubertät kastriert wird. Dieser Trend schwappt leider, vor allem bei der Hündin, aber zunehmend auch beim Rüden, aus den USA, wo diese Praxis an der Tagesordnung ist,  zu uns herüber. Hierbei entstehen nur negative Folgen für die Hunde: die betroffenen Tiere werden ­aggressiver gegenüber ­gleichgeschlechtlichen Artgenossen und insgesamt un­­sicherer, nicht nur gegenüber anderen Hunden. Sie bleiben in der körper­lichen Entwicklung zurück und werden nie richtig erwachsen, da ihre geistige Leistungsfähigkeit nicht voll ausgereift ist. Das liegt daran, dass sich das Gehirn unter dem Einfluss der Sexual­hormone in der Pubertät ­nochmals weiterentwickelt.

Gründe für Kastrationen
Wie eine Befragung der Hundehalter im Rahmen der „Bielefelder Kastrations­studie“ (Niepel, 2007) ergab, stellt unerwünschtes ­Verhalten den häufigsten Grund für eine ­Kastration dar (74%), gefolgt von 30% der Befragten, die Haltergründe, also bspw. das Zusammenleben von Hündin und Rüde in einem Haushalt angaben. Nur bei 21% der Hundehalter spielten medizinische Überlegungen eine Rolle. (Da auch Mehrfach­nennungen möglich waren, ergeben sich insgesamt über 100%).

Aggression ist nicht gleich ­Aggression
Sehr weit verbreitet ist immer noch der Glaube, dass man durch eine Kastration Aggressionsverhalten beseitigen kann. Dies ist allerdings nur in ganz seltenen Fällen ­gegeben und bedarf einer genauen und ­differenzierten Analyse des gezeigten Ver­haltens, da es „das Aggressions­verhalten“ per se nicht gibt. Aggression ist vielmehr ein Mehrzweck­verhalten, das immer mit der Be­seitigung störender oder als gefährlich eingestufter Umwelt­einflüsse im Zusammenhang steht.

Angstaggression
Eine sehr häufig auftretende Form der Aggression stellt die ­Angstaggression dar. Bei dieser ist eine Kastration ­völlig kontraindiziert und wird das Problem deutlich verschärfen. Der Grund hierfür ist, dass Panik- und Angstreaktionen, die durch einen, auch befürchteten, ­Kontrollverlust oder das Erwarten einer ­gefährlichen Situation seitens des Tieres ent­stehen, unter der Kontrolle des Stress­hormons Cortisol aus der Neben­nierenrinde stehen. Das männliche Sexualhormon Testosteron hemmt die Cortisolausschüttung, wirkt dadurch angstlösend und steigert das ­Selbstbewusstsein. Durch die Wegnahme der Sexualhormone macht man diese Tiere noch un­sicherer, was zu einer Verschlimmerung des gezeigten ­Verhaltens führt. Eine ­Kastration ist hier also absolut kontra­indiziert.

Die geschilderten Zusammenhänge stellen natürlich die gängige Praxis, Tierheimhunde generell zu kastrieren, in Frage, da diese Hunde ja durch eine komplette Änderung der Lebens­umstände und -umgebung schon per se gestresst sind. Diese tiefgreifende Entscheidung sollte also nur nach gründlicher Einzelfallbeurteilung und unter Berücksichtigung der ­Per­sönlichkeit des Hundes getroffen werden.

Sicherheit geben statt ­Testosteron nehmen
Genauso wie die Angstaggression steht die Futterverteidigung unter dem Einfluss des Stresshormons ­Cortisol und hat keinerlei Beziehung zu den Sexualhormonen.

Die sogenannte Selbstverteidigungsaggression hingegen wird durch die Hormone und Botenstoffe Adrenalin und Noradrenalin aus der ­Neben­niere geregelt. Problematisch für den Hun­de­­halter ist, dass gerade ein als Problemlösung erprobtes Verhalten vor allem in Furcht einflößenden Situa­tionen sehr schnell gelernt und als Problemlösungsstrategie abgespeichert wird. Auch bei diesem „Lernen am Erfolg“ hat das erwähnte ­Noradrenalin seine Finger im Spiel, Sexual­hormone sind auch hier nicht beteiligt.

Einzig sinnvolle Maßnahme ist hier ein individuelles Verhaltenstraining, einhergehend mit einer Verbesserung der Führungskompetenz des ­Halters. Besonders diesen Hunden muss Sicherheit gegeben und nicht ­Testosteron genommen werden.

Jungtierverteidigung und ­Infantizid (Kindstötung)
Verantwortlich hierfür ist das sogenannte „Elternhormon“ Prolaktin, dessen Konzentration  nachgewiesener­maßen auch bei männlichen Tieren in Anwesenheit von Jungtieren oder ­Kindern in der Familie, oder bei Schwangerschaft der Halterin, ansteigt. Der biologische Auftrag des Prolaktins ist es, dafür Sorge zu tragen, dass Welpen und Kinder der eigenen Familie (auch von männlichen Tieren) verteidigt und betreut werden. Die Folge ist nicht nur eine aggressive Verteidigung der Individualdistanz zur schwangeren Halterin, oder einer sonstigen schwangeren Bezugsperson, sondern gleichzeitig oft auch eine deutliche Unfreundlichkeit gegenüber fremden Kindern, bzw. Junghunden. Dieses Verhalten wurde auch bei ­kastrierten Tieren nachgewiesen. Zusätzlich ist, zumindest beim Wolf, auch ein saisonal bedingter Prolaktin­anstieg bekannt. Da hohe Testosteron­spiegel wiederum den An-stieg von Prolaktin hemmen, ist auch bei dieser Problematik eindeutig von einer Kastration des Rüden abzuraten.

Partnerschutzverhalten
Das Partnerschutzverhalten wird durch das „Eifersuchtshormon“ ­Vasopressin ausgelöst, das dafür sorgt, dass der Halter, bzw. beim Hunde­rüden speziell die Halterin, verteidigt wird. Besonders in der Frühphase einer Beziehungsneu­bildung spielt es gemeinsam mit dem Bindungshormon Oxytocin eine wichtige Rolle, indem unbeteiligte Dritte ferngehalten werden. Aber auch generell sind diese beiden Hormone an der Regelung sozialer Beziehungen beteiligt. Auch dieses Hormonsystem lässt sich durch eine Kastration nicht beeinflussen.

Echte Status- und Wettbewerbs­aggression
Anders ist die Situation bei einer echten Status- oder Wettbewerbsaggression oder auch bei einer territorialen Aggression. Hier könnte die Kastration eine Verbesserung der Problematik bewirken - allerdings nur dann, wenn das gezeigte Verhalten wirklich hormongesteuert und noch nicht erlernt ist. Jedoch ist bei vielen Tierarten (z.B. Pferden und Affen) erwiesen, dass der  Testosteronspiegel nach der Rangverbesserung ansteigt, d.h. erst werden Aggressio­nen gezeigt, dann steigt die Konzentration der Sexualhormone. Dies widerlegt die These „viel Testosteron = viele Rangordnungskämpfe“.

Die Sache mit der Dominanz …
Immer wieder ist vom „Dominanz­verhalten“ die Rede, welches die ­Wurzel allen Übels sei, und das nur zu oft als Indikation für eine ­Kastration herhalten muss. Dominanz ist aber keine Eigenschaft, sondern eine Beziehung, und zwar eine, die von unten nach oben stabilisiert und nicht andersrum von oben nach unten „durchgeboxt“ wird. Ein wirklich als dominant anerkanntes Tier ist ­souverän und hat keine ­Aggression nötig. Einem dominanten Tier ­werden freiwillig Privilegien zugestanden, sprich, es kann jederzeit seine ­Interessen ohne den Einsatz von Gewalt gegen den Anderen durch­setzen. Das oft als Dominanz bezeichnete Verhalten hat also nichts mit einem Dominanzstreben des Hundes zu tun,  sondern spiegelt in den meisten Fällen einen mangelnden Führungsanspruch bzw. mangelnde Führungskompetenz des Halters wider. Dass hier eine Kastration keine Abhilfe schaffen kann, muss wohl nicht extra erwähnt werden.

Streunen und Jagdverhalten
Einen weiteren Grund für eine ­Kastration stellt oft das Streunen bzw. das Jagdverhalten dar. Richtig ist zwar, dass beim männlichen Säugetier die Tendenz, größere Streifgebiete zu nutzen, diese zu markieren und zu kontrollieren, unter dem Einfluss der Sexualhormone im Gehirn angelegt wird, allerdings geschieht das schon vor der Geburt und lässt sich danach kaum mehr beeinflussen.
Etwas anderes ist das Streunen in Anwesenheit läufiger Hündinnen, das tatsächlich sexuell motiviert ist und durch eine Kastration gegebenenfalls beeinflusst werden kann.
Das Jagd- und Beutefangverhalten des Caniden wird durch sehr einfache Reize ausgelöst: Ein sich schnell vom Tier weg bewegendes Objekt löst eine Verfolgung, bzw. Beutefang­verhalten aus, auch dies hat nichts mit den Sexualhormonen zu tun.

Hypersexualität
Bei der sogenannten Hypersexualität des Rüden muss klar differenziert werden, aus welchem Verhaltenskreis sie entspringt. Aufreiten hat sehr oft gar nichts mit dem Sexualverhalten zu tun. Häufig ist es einfach eine Übersprungshandlung, oder es handelt sich um eine Bewegungstereotypie, die dem Stressabbau dient. Wird das Verhalten zwischen mehreren ­Hunden einer etablierten Gruppe gezeigt, handelt es sich meist um Spiel.
Auch sollte bei der Entscheidung pro oder kontra Kastration aus diesem Grund beachtet werden, dass auch kastrierte Rüden in Anwesenheit einer läufigen Hündin oft noch komplettes Paarungsverhalten inklusive Hängen zeigen, und das auch noch jahrelang nach der Kastration. Das liegt daran, dass bei sexuellen Aktivitäten der Glücksbotenstoff Dopamin ausgeschüttet wird, dessen selbstbelohnende Wirkung nachgewiesen ist. Dopamin spielt übrigens auch beim Menschen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Suchterkrankungen.
Nur wenn es sich tatsächlich um ­sexuell motiviertes Verhalten ­handelt, ist eine Kastration eventuell in Erwägung zu ziehen – aber dies sollte unbedingt im Vorfeld mit ­professioneller Hilfe durch genaue Analyse der auftretenden Situationen geklärt werden!

Einzelfallentscheidung
Nach der Lektüre dieses ­Artikels sollte klar sein, dass sich eine ­Kastrationsempfehlung nicht pauschal aussprechen lässt, sondern immer die Ursachen der Verhaltensauffälligkeiten genauestens analysiert werden sollten, um die gezeigte Problematik nicht weiter zu verschärfen.
In Einzelfällen, wie etwa beim Herum­streunen bei Anwesenheit läufiger Hündinnen, bei einer echten, durch Sexualhormone ausgelösten Hyper­sexualität, oder bei einer echten statusbedingten Aggression, kann  die Entscheidung für eine Kastration richtig sein und eine Verbesserung der Problematik mit sich bringen, aber auch nur dann, wenn das ­gezeigte Verhalten durch Sexualhormone gesteuert wird und noch nicht erlernt ist.


Auf gar keinen Fall aber kann eine Kastration eine Verhaltenstherapie ersetzen oder gar als Allheilmittel gesehen werden.


Die Kastration der Hündin aus verhaltensbiologischer Sicht
Medizinische Gründe werden bei der Kastration der Hündin – im Gegensatz zu der des Rüden – mit 81% als häufigste Indikation für diesen Eingriff angegeben, gefolgt von Haltergründen mit 64%. Verhaltensprobleme machen bei der Hündin hingegen gerade mal 14% aus (Mehrfachnennungen waren möglich). Nach dem Artikel über die Kastration des Rüden in WUFF 12/2010 behandeln ­Tierärztin Sophie Strodtbeck und Verhaltensbiologe Privatdozent Dr. Udo Gansloßer das Thema der Kastration der Hündin aus verhaltensbiologischer Sicht. Die Autoren vertreten und begründen eine Ansicht, die der heute gängigen zum Teil widerspricht.
Die medizinischen Gründe für die Kastration der Hündin sind die Prophylaxe von Gebär­mutterentzündungen, Gesäuge­tumoren und von Problemen, die im Zusammenhang mit der Scheinträchtigkeit, die korrekterweise als Scheinmutterschaft bezeichnet werden muss, auftreten können.

Gesäugetumore
Bei Hündinnen rangieren die Mamma­tumoren unter den Tumorerkrankungen unbestritten relativ weit vorne, verschiedene Studien ergaben Zahlen von ca. 30 - 40 % Gesäugetumoren (bös- und gutartige) unter den Tumor­erkrankungen bei Hündinnen. Noch problematischer ist die Sterblichkeitsrate bei den bösartigen Gesäugetumoren: laut verschiedenen Studien sterben um die 60 % innerhalb der ersten 2 Jahre nach Entfernung des Tumors. Aber stellt dies einen Grund für eine (Früh-) ­Kastration dar?

Häufig wird eine Statistik aus dem Jahre 1969 (Schneider et al., 1969) herangezogen, als belegt wurde, dass das Mammatumorenrisiko bei Kastration vor der ersten Läufigkeit gegenüber unkastrierten Hündinnen 0,5 % beträgt, bei einer ­Kastration nach der ersten Hitze 8 %, und bei später ­kastrierten Hündinnen bei 25 % liegt. Dies lässt sich mit dem zyklusabhängigen Einfluss der Geschlechtshormone auf das Ge­säuge erklären. Aber um diese Statistik wirklich bewerten zu können, muss man nicht nur die Prozentsätze der absoluten Zahlen von sowohl gut- als auch ­bösartigen Mammatumoren bei der Hündin in Betracht ziehen. Diese liegen nach unterschiedlichen Quellen bei 0,2- 1,8 % aller Hündinnen, was bedeutet, dass frühkastrierte Hündinnen ein Risiko von 0,001- 0,009% für eine Mammatumorerkrankung tragen. Bei Kastration nach der 1. Läufigkeit beträgt das Risiko 0,016 - 0,15 %, bei später kastrierten 0,05 - 0,5 %. Bei diesem geringen tatsächlichen Risiko der Erkrankung muss man sich daher fragen, ob das Thema Tumorprophylaxe einen alleinigen Grund für eine Kastration darstellen darf. Dies insbesondere auch, zumal es eindeutig nachgewiesen wirksamere (und im Gegensatz zur Kastration nebenwirkungsfreie!) Prophylaxemaßnahmen gibt. So sind beispielsweise der Verzicht auf allzu proteinhaltige Ernährung, der Verzicht auf hormonelle Läufigkeitsunterdrückung, sowie ein gutes Gewichtsmanagement, vor allem im ersten Lebensjahr, zu nennen. Denn bei Hündinnen, die bereits im Alter von 9–12 Monaten übergewichtig sind, ändert auch eine Kastration nichts mehr am Tumorrisiko!

Gebärmutter-Eiterung
Die Gebärmutter-Eiterung (Pyometra) ist ein weiteres Horrorszenario von Hündinnenbesitzern. Zu Recht, denn sie wird oft sehr spät diagnostiziert und stellt dann immer einen absoluten Notfall dar! Die Erkrankung beginnt meist am Ende der Läufigkeit, wird aber, vor allem bei der geschlossenen Form, bei der kein Ausfluss vorhanden ist, oft erst ein paar Wochen später erkannt. Typische Symptome sind Temperaturanstieg, vermehrtes Trinken, gestörtes Allgemeinbefinden, häufiges Urinieren, Appetitlosigkeit, Abmagerung und eine Umfangsvermehrung des Bauches durch massive Eiteransammlungen. Abhängig von der Dauer der Erkrankung und der Größe der Hündin findet man teilweise mehrere Liter Eiter in der Gebärmutter, die bei zu großer Belastung auch reißen kann.

Im Falle einer Pyometra gibt es zwar auch medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten, aber die Kastration mit Entfernung der erkrankten Gebärmutter stellt das Mittel der Wahl dar. Aber rechtfertigt das Risiko, dass die Hündin irgendwann an einer Gebärmuttervereiterung erkranken könnte, eine Kastration, also die präventive Entfernung eines gesunden Organs? Der Gesetzgeber sagt im Tierschutzgesetz ganz klar nein, denn es gibt nur zwei Ausnahmen, in denen eine Kastration zulässig ist: erstens die Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung (hier ist die Nutztierhaltung gemeint!) und zweitens, um die Haltung eines Tieres zu ermög­lichen. Beides ist hier nicht gegeben!

Andere prophylaktische Maßnahmen sind allerdings sehr hilfreich im Kampf gegen die Pyometra. Erstens gilt es natürlich, als Halter einer Hündin für die Problematik der Pyometra sensibel zu sein und die Hündin, vor allem in den ersten acht Wochen nach der Läufigkeit, genau zu beobachten und auf die oben genannten Symptome zu achten. Zweitens sollte man auf eine hormonelle Läufigkeitsunterdrückung unbedingt verzichten, da die Hormongaben eine Erkrankung begünstigen, und drittens sollte man (nicht nur aus diesem Grund!) dafür Sorge tragen, dass die Hündin keinesfalls ungewollt gedeckt wird, da auch ein Trächtigkeitsabbruch durch Hormongaben ein großes Risiko für die Entstehung einer Gebärmuttereiterung darstellt.

Hingegen sollten Hündinnen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, also unter einem Insulinmangel leiden, bzw. auf das vorhandene Insulin nicht ansprechen, auf jeden Fall kastriert werden! Die weiblichen Geschlechtshormone Gestagen und Östrogen können nämlich die Wirkung des Insulins im Gewebe behindern und so eine erfolgreiche medikamentöse Therapie des Diabetes unmöglich machen.

Das „Problem“ mit der Scheinträchtigkeit / Scheinmutterschaft
Zunächst muss ganz klar differenziert werden: die tatsächliche Scheinträchtigkeit beginnt am Ende der Läufigkeit, also dann, wenn der Deckakt erfolgt wäre, und dauert, wie eine echte Trächtigkeit auch, 63 Tage. Danach folgt die heute meist fälschlich als Scheinträchtigkeit bezeichnete Scheinmutterschaft, also die Zeit, in der sich die Hündin um die Welpen kümmern und sie säugen würde, also das eigentliche Brutpflege­verhalten zeigt. Dadurch können sich auch ­Hündinnen, die selber keinen Nachwuchs haben, an der Aufzucht und Versorgung fremder Welpen be­teiligen.

Die hormonellen Vorgänge sind ­dieselben wie bei belegten Hündinnen. In der Scheinträchtigkeit sorgt das Schwangerschaftshormon ­Progesteron für das eher anlehnungsbedürftige und ruhigere Verhalten der Hündin. Während der Scheinmutterschaft kommt dann das Eltern­hor-mon Prolaktin zum Zuge. Dieses ist verantwortlich für die Ausbildung des Gesäuges, die Milchproduktion, das Bauen von Nestern bzw. ­Wurfhöhlen, das Behüten und Bemuttern von Stofftieren und anderem. All das sind also rein physiologische Verhaltensmuster.

Allerdings kann es zu diesen Erscheinungen nicht nur zyklusbedingt nach vorangegangener Läufigkeit kommen, sondern auch dann, wenn die Halterin oder eine andere Bezugsperson schwanger wird, oder ein Baby oder ein Welpe ins Haus kommt. Weil das Prolaktin direkt aus der Hirnanhangsdrüse kommt und auch ohne Beteiligung der Geschlechtsorgane über die Sinnesorgane oder andere Zentren im Gehirn aktiviert werden kann, findet man dieses Verhalten z.T. auch bei kastrierten Hündinnen. Eine Kastra­tion zur Vorbeugung ist also nur in den Fällen erfolgversprechend, bei denen es sich um regelmäßiges, ­zyklusbedingtes Verhalten handelt.

Aggressionsverhalten
Die Kastration als Mittel zur Aggressionskontrolle kann nur bei bestimmten Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, und zwar dann, wenn die Auffälligkeiten eindeutig im Zusammenhang mit der Läufigkeit stehen. Wird die Hündin ausschließlich um die Läufigkeit herum kurzzeitig aggressiv oder unleidlich, kann gegebenenfalls durch eine Kastration eine Besserung erzielt werden.

Anders bei Hündinnen, die das ­ganze Jahr über rüpelhaft sind und eine statusbedingte Aggression zeigen: in diesen Fällen wird sich das Aggressionsverhalten in den meisten Fällen noch deutlich verschlimmern, weil nach Wegfall des körpereigenen weiblichen Sexualhormons Östrogen das männliche Sexualhormon Testosteron, das auch bei Hündinnen in der Nebennierenrinde produziert wird, mehr Einfluss nehmen kann. Dies gilt insbesondere für Hündinnen, die mit erhobenem Bein markieren, ganzjährig Probleme mit Rüden haben und einen, auch für ihre Rasse, sehr robusten Knochenbau und eine sehr ausgeprägte Muskulatur besitzen, und außerdem für Hündinnen, die als einziger weiblicher Welpe in einem Wurf voller Rüden zur Welt kamen. In all diesen Fällen liegt ohnehin ein recht hoher Spiegel an Testosteron vor, der im intakten Fall wenigstens einigermaßen durch die weiblichen Östrogene „in Schach gehalten“ werden kann.
Genau wie beim Rüden auch (siehe WUFF 12/2010) sind die Verhaltensweisen der Jungtierverteidigung, der Partnerschutz- bzw. Eifersuchts­aggression und der Revierverteidigung unabhängig vom Sexualhormonspiegel, sondern sie werden durch andere Hormonsysteme gesteuert.

Eine durch Angst, Panik oder Unsicherheit verursachte Aggression, sowie andere damit zusammenhängende Verhaltensprobleme, sind auch, genau wie beim Rüden, durch eine Kastration nicht zuverlässig beeinflussbar. Solche Hündinnen können durch Wegnahme der Sexualhormone zeitweise eher noch unsicherer werden (abhängig von ihrer sonstigen Persönlichkeit), da auch die weiblichen Sexualhormone angstlösend wirken und Selbstvertrauen schaffen.
Jagd- und Beutefangverhalten haben auch bei Hündinnen keine Steuerung durch das Sexualhormonsystem. Im günstigsten Falle ändert sich also daran nichts, es gibt aber auch Fälle, bei denen diese Handlungsbereitschaft nach der Kastration steigt.

Ebenso ist bei Hündinnen, genau wie beim Rüden, aus verhaltensbiologischer Sicht eine Kastration vor dem Ende der (Verhaltens-!) Pubertät nicht anzuraten. Gerade die Östrogene tragen in der Pubertät wesentlich zum Umbau und der daraus resultierenden Reife von Gehirn und Verhalten, und damit zum Erwachsenwerden, bei.

Fazit: Kastration der Hündin – ja oder nein?
Aus verhaltensbiologischer, wie auch aus tierschützerischer Sicht, ist eine vorbeugende ­Kastration auch bei der Hündin nicht ­grund­sätzlich zu ­befürworten. Die ­ge­sund­­heitlichen Probleme, die sich nach der ­Kast­ration einstellen ­(können), wie etwa I­nkontinenz, aber auch ­Störungen des Mineralstoff­wechsels und der ­Skelettbildung bei ­Früh­kastration während des ­Wachstums, dürfen nicht ­unge­nannt bleiben. Und das ­Argument der Stress­re­duktion für die Hunde, die ja doch nicht zum Zuge kommen dürfen, zieht bei ­Caniden auch nicht, da auch in Rudeln von verwilderten Haushunden ­nachgewiesen ­wurde, dass gerade mal 20 – 30 % der Rüden und 30 – 50 % der Hündinnen zur ­Fortpflanzung ­kommen – ohne dass der Rest depressiv wird oder beim Thera­peuten landet …

Quellenangaben:
Autoren: Udo Gansloßer und Sophie Strodtbeck
www.wuff.de
www.einzelfelle.de
www.fellomenal.de

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